
06.03.2025 -
12.04.2025
INTERIORs
Robert Bosisio & Sylvie Riant & Salaw Fathallah
“Interior” ist ein klassisches Motiv der Malerei, dessen Spektrum von intimen bis zu politischen Darstellungen umfängt.
Die Ausstellung INTERIORs zeigt zeitgenössische Positionen von KünstlerInnen aus der Region und dem Ausland, die das Thema aus unterschiedlichen Ausgangspunkten betrachten. Alle jedoch gehen mit der Thematik des “Zentrifugalen” um: aus der persönlichen Ebene heraus entwickeln sie eine Reflexion über die Welt, ihre Permanenz und “Impermanenz”, über das, was uns Sicherheit und Geborgenheit gibt und über das, was uns verängstigt und sprachlos lässt.
Die Frage „Was sagt ein Raum über Menschen aus?“ zeigt verschiedene Dimensionen der Wahrnehmung, Psychologie und sozialen Bedeutung. Räume als Spiegel von Identität, Werte und Zukunftsvisionen derjenigen, die sie gestalten oder in ihnen leben. Orte, an denen Umbruch und Transformation erlebbar werden.
INTERIORs macht das „Unsichtbare“ sichtbar: Emotionen, Erinnerungen und Geschichten, die Räume in sich tragen. In einer Welt im Umbruch ist der Raum nicht nur ein passiver Hintergrund, sondern ein aktiver Teil des sozialen und kulturellen Diskurses. Räume sind lebendig, sie verändern sich und erzählen Geschichten.
Die Innenräume von ROBERT BOSIOSIO versöhnen uns mit der Welt und uns selbst, die Fotografien von SALWA FATALLAH konfrontieren uns mit Zerstörung und Krieg, die Collage und Environment von SYLVIE RIANT mit der Fragilität unseres Lebensraumes – eine Fragilität, die wir selbst geschaffen haben.
Robert Bosisio
Auszug Website Mit großer Aufmerksamkeit für die kleinsten Lichtschwankungen erforscht Robert Bosisio in seiner künstlerischen Praxis die Grenze zwischen dem Realen und dem Magischen, dem Konkreten und dem Ephemeren, der Erfahrung des Raums und seiner unsichtbaren Wahrnehmung. Mit dünnen, mehrfarbigen Pinselstrichen überschreiten seine Gemälde die flache Oberfläche der Leinwand und gewinnen dreidimensionale Tiefe. Indem er der Darstellung eine gesellige Rolle zuweist, schwankt Bosisio zwischen dem Bedürfnis, immer wieder zum Thema zurückzukehren, und dem Wunsch, es zu entfremden, wodurch die Formen und Farben auf der Leinwand in die Sphäre des Metaphysischen transportiert werden.
„APPARTEMENTS TEMOINS“ Salwa Fathallah bearbeitet Bilder von leeren Wohnungen ihrer Heimatstadt Beirut seit mehreren Jahren. Der Zyklus ist ein “work in progress”, der immer wieder
von neuen Elementen ergänzt wird.
„ETATS DES LIEUX“ Sylvie Riant zeigt eine Art “degrè zerò”: Innenräume ihres Geburtshauses, das es nicht mehr gibt. In Folge von Dürre und Überschwemmungen in seinem Fundament versunken, wurde es abgerissen. Der Verlust ist Ausgangspunkt ihrer Arbeit: “ich verwandle ihn in Arbeiten “um etwas zu retten aus der Zeit, in der wir nie wieder sein werden” (Annie Ernaux).” Riant verhält sich wie eine Archäologin, die jedem Fundus, jedem Fragment ein Wert verleiht. Über fünf Jahre sammelt sie alle Fotos über den Ort, an dem das schiefe, unbewohnte Haus gestanden ist – in der Dringlichkeit aufgenommen oder von Leuten geschickt, die mit oder im Haus mit ihr zu tun hatten. Die Fotos sind Dokumentation darüber, was dort geschah, während sie selbst weit weg war.
Es gab wütende Nachbarn wegen des überwucherten Gartens; enttäuschte potenzielle Käufer, die
den Grad der Absenkung des Hauses maßen, Verwandte, die Einbrüche oder Besetzungen bemerkten,
Handwerker und Freunde, die versuchten, das Haus aufzufrischen, um es vor dem Abriss zu bewahren.
Diese Fotos hatten keinen künstlerischen Zweck, aber viel zu erzählen: “ich habe sie neu geschnitten,
mit „Fundstücken“ (alte Stoffe, Staub, etc.) die ich im Haus fand, weiterbearbeitet. Sie sind nicht da, um die Vergangenheit zu rekonstruieren, sondern aus kleinen „Nichts / Dingen“ neue Zeichen zu schaffen, eine Poesie zu erreichen. Es ist ein tragender Prozess, ein Sieg gegen das Vergessen.
“CLAYS SWELL AND SHRINK or EMETH METH EMETH”
Sylvie Riant, 2025
Video Dauer: ca.3’
Kamera: Kurt Moser; Roland Seppi
Mit Petra Massardi
Immersive Environment mit Video (für den « Kellerraum“)
Die Zerbrechlichkeit des Hauses spiegelte sich einerseits in der Zerbrechlichkeit seiner letzten
Bewohnerin, meiner Mutter und anderseits in der Instabilität der Welt wider.
Die Geschichte der Mutter, die des Hauses und der Welt sind, miteinander verwoben. Der Boden wird
mit rohem Lem bedeckt, der trocknen und Risse bekommen wird. Das Video zeigt in abstrakten bzw. allegorischen Bildern eine Choreographie - die Verwandlungen der Materie, vom Sumpf bis zur vertrockneten Lem und vermischen sich mit Aufnahmen organischen und körperlichen Elemente.
Im vorigen Videoarbeit, “juste avant” wurde Abschied genommen, von den Eltern, vom Familienhaus, das abgerissen wurde. Die Zerbrechlichkeit des Hauses spiegelte sich einerseits in der Zerbrechlichkeit seiner letzten Bewohnerin, meiner Mutter und anderseits in der geologischen Instabilität des Gelände wider. Geschichte der Mutter, des Kindheitshauses und der Welt sind miteinander verwoben.
In “CLAYS SWELL AND SHRINK or EMETH METH EMETH” ist die biografischen Ebene “überwunden”. Der Fokus liegt auf dem Lem, das Ur-Materie, worauf das Haus gebaut war und wegen dem es versank. Der Lem ist im jüngsten Videos Riant überall. Es zeigt in vom Buto inspirierten allegorischen choreographierten Bildern die Verwandlungen der Materie vom Sumpf bis zur vertrockneten Lem, als Metapher des Zyklus des Lebens und des Todes. Die hebraische Wörter EMETH (Licht / Wahrheit) und METH (Tod) spielen eine Rolle in der Legende des Golems. Aus METH schreibt die Protagonistin das Buchstaben Aleph im Lem: aus dem Tod wird wieder Licht, Wahrheit, Leben.
„le temps le jeu“
Die Installation besteht aus sieben Schaukeln, die von Hand aus Seilen, Wachskuchen und Bienenwachs hergestellt wurden. Einige können von den Besuchern betätigt werden, andere sind durch das Wachs eingefroren. Auf einigen von ihnen sind Metronome mit verschiedenen Tempi angebracht, die ebenfalls mit Bienenwachs überzogen sind. Wachs und Bienenwachs sind seit mehreren Jahrzehnten meine bevorzugten Materialien. Weitere Elemente aus Wachsabgüssen - Abgüsse von Kinderhänden, Füßen - werden die Installation vervollständigen. Die Installation wird evtl. mit einem Sound (sonst mit einem Text) begleitet.
„juste avant“ Video 12‘ (auf Monitor)
Eine Frau kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück. Sie besucht das leere Elternhaus und hält sich dort an drei Stationen auf: die erste im Aufenthaltsraum, die zweite im Eltern- und die dritte im Kinderzimmer.
„juste avant“ – gerade davor – - juste avant la destruction, juste avant la démolition, juste avant l’effondrement, la disparation - wurde eben gerade vor dem Abriss des Familienhauses in Pariser Gebiet gefilmt und erzählt über Vergänglichkeit, Verluste, Loslassen, über Altwerden und Demenz.
«Détruire, créer - zerstören, neu schaffen»: so die kaum vermeidbare Dualität, die übliche Dialektik des kreativen Prozesses, wie von Didier Anzieu in dem gleichnamigen Buch beschrieben. Weil „es“ verschwinden wird, musste noch etwas „gerade davor“ geschehen, damit die für mich hoch symbolischen Wände, wo sich meine früheren Erinnerungen abspielen, noch einmal vor dem Ende zum Atmen gebracht werden. Das Haus ist die Zentralfigur des Filmes. Die Immaterialität des Mediums Video stellt sich dem Haus, diesem massiven Hauptdarsteller, der aus tonnenweisen bestehenden Materialien, die bald Schrott wurden, perfekt gegenüber.